Gedanken zum Holocaust-Gedenktag 2021

„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ (Richard von Weizsäcker)

An jedem 27. Januar wird in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern dieser Welt der im Zuge des Holocaust ermordeten Juden gedacht. Normalerweise findet in d er St. Johannis-Kirche gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule und des Gymnasiums eine Gedenkveranstaltung mit einer Schweigeminute am Mahnmal statt. Dies ist dieses Jahr leider nicht möglich. Trotzdem wollen wir der ermordeten Juden gedenken. Das Aufstellen von Kerzen oder das Niederlegen von Rosen am Mahnmal ist zum Beispiel möglich.

Anbei finden sich drei persönliche Beiträge von Elena Vianne Minzera, Johannes Kunze und Jonas Schlingmann aus dem Leistungskurs Geschichte sowie eine Aufzählung der jüdischen Opfer aus Halle (Westf.).

Das Eingangstor von Auschwitz-Birkenau

Gegen das Vergessen, für die Freiheit!

Der Holocaust forderte über 6.000.000 Tote, der Völkermord an den Sinti und Roma 220.000 bis 500 000 Tote, über 3.600.000 weitere Menschen kamen in den Konzentrationslagern oder bei Zwangsarbeit um. Über 9.800.000 Menschen wurden bei deutschen Massenverbrechen ermordet.

Hinter jedem einzelnen Toten steckt ein Leben, steckt eine Familie und steckt ein geliebter Mensch. Derer, die auf diese schreckliche Weise aus ihren Leben gerissen wurden, müssen wir gedenken!

Doch heute verschwindet dieses Wissen um die Massenverbrechen und die Opfer jener Zeit immer weiter.[1] Es gerät immer mehr in Vergessenheit. Deshalb es ist es an uns, das Gedenken an sie aufrechtzuerhalten!

In den letzten 75 Jahren haben wir in Deutschland ein neues Kapitel aufgeschlagen, eines das Freiheit, Demokratie und Menschenwürde als Überschrift hat. Aber das macht das Geschehene nicht weniger wichtig. Gerade das vergangene Jahr hat uns doch gezeigt, dass es immer noch Menschen in unserem Land gibt, die unsere Demokratie verachten, unsere Freiheit verschmähen und unseren Rechtsstaat verleugnen!

Doch Schwarz-Rot-Gold steht für die Verteidigung eben jener Freiheit, Demokratie und Menschenwürde. Diese Werte müssen besonders uns als junger Generation am Herzen liegen, damit unsere Werte auch in der Zukunft in Deutschland und Europa bestand haben können. Nur so können wir solche Schrecken wie den Holocaust in Zukunft verhindern. Das ist unsere historische Aufgabe. Das ist das, woran wir uns messen lassen müssen. Und gemeinsam werden wir diese Werte verteidigen!

Johannes Kunze

 

„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“[2]

Würde man für jedes Opfer des Holocaust eine Schweigeminute einlegen, wäre die Erde 11 Jahre lang still. Auch wenn all das heute unvorstellbar erscheint und wir oft nur noch Zahlen und keine Opfer befragen können, ist es nie irrelevant geworden, dieser zu gedenken. Ganz im Gegenteil!  

Darüber hinaus bedeutet für mich dieser Tag aber auch eine Auseinandersetzung mit mir selbst. Einmal im Jahr wird uns bewusst, was in dieser Welt, die doch unsere nie war, vor sich ging, und vielleicht noch wichtiger, was heute um uns herum passiert. Man hat Menschen das Recht genommen zu sein, ihr Leben so zu führen, wie sie es für sich wählten, ihnen Menschenrechte und Staatsbürgerschaften entzogen, da man einer Ideologie folgte, die eben diese Menschen nicht als Menschen betrachtete. Es liegt heute, und auch an jedem folgenden Tag, in unserer Verantwortung, Widerstand zu leisten, wenn Unrecht zu Recht wird, unser eigenes Verhalten zu reflektieren, und uns bewusst zu werden, dass es an uns liegt, unsere Welt zu einem Ort zu machen, an dem jeder Mensch das Recht hat zu sein und frei zu sein. Frei zu sein von Diskriminierung, Hass, Leid, Angst und all dem, was die Menschen uns lehren sollen, derer wir heute gedenken wollen. Ein Gedenken, in dem es nicht allein um das Bedauern und Betrauern der Leben geht, die durch den Holocaust ein Ende finden sollten, sondern auch ein Anstoß, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und aktiv gegen Antisemitismus und jegliche Form von Ausgrenzung aufzustehen, und die Geschehnisse nicht nur abzuheften, sondern für Menschenrechte einzustehen. 

Ich möchte diese Zeilen Menschen widmen, die aufgrund ihrer Religion, Hautfarbe, Herkunft oder politischen Einstellung verfolgt wurden und werden, Menschen, die fliehen mussten und müssen, weil Heimat zum Schlachtfeld werden kann, Menschen, die unschuldig in eine Welt hineingeboren werden, in der sie ausgegrenzt und verletzt werden, Menschen, die eben dies ihren Kindern erklären mussten und müssen. Menschen, die nie Mensch sein dürfen.  

Elena Vianne Minzera 

Bilder von Juden, die in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden; diese Fotos wurden nach der Befreiung auf dem Gelände in einem Koffer gefunden

Welche Bedeutung hat das Gedenken an die Opfer des Holocaust für mich?

Heute vor 76 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von den Nationalsozialisten befreit. Damit war eins der größten und vor allem brutalsten Vernichtungslager der Nationalsozialisten aufgelöst. 7000 Überlebende konnten befreit werden.

An diesem Tag erinnern wir uns nicht nur an die 1,1 Millionen Menschen, die in Auschwitz-Birkenau auf verächtliche Weise ermordet wurden, sondern auch an die vielen Opfer, die in den weiteren Vernichtungslagern vergast oder im Zuge der Massenerschießungen hingerichtet wurden. 6 Millionen ermordete Juden, die Opfer einer willkürlichen und nicht zu begründeten Ideologie wurden.

Diese Zahlen und vor allem Menschen (!), die alle ein Recht darauf hatten, zu leben – Frauen, Kinder, Behinderte, Familien, ja sogar ganze Dörfer, dürfen niemals in Vergessenheit geraten, da sie Opfer des abscheulichsten Kapitels unserer Geschichte sind. Und trotz oder gerade wegen dieser Abscheulichkeit ist es unsere Aufgabe, aus diesem schrecklichen Kapitel zu lernen.

Denn vielleicht ist die Thematik aktueller denn je. Auch heutzutage sind leider noch autoritäre, aber auch rechtsradikale und sogar rechtsextreme Ansichten weiter verbreitet, als man es wahrhaben möchte. So nutzen Rechtsradikale sowohl die Flüchtlingskrise 2015 als auch die gegenwärtige Corona-Pandemie, um Anschluss in der Mitte der Gesellschaft und für ihre Thesen zu finden Gehör (vor allem über Social-Media-Kanäle, aber auch ganz offen bei Demonstrationen). Dies ist für eine starke Demokratie, zu der sich die Bundesrepublik seit der Gründung im Jahr 1949 entwickelt hat, höchst gefährlich und wird zurecht vom Verfassungsschutz beobachtet!

So ist es aus meiner Sicht beispielsweise sehr beängstigend, wenn Kritiker der Corona-Maßnahmen mit bekannten Personen aus der rechten Szene gemeinsam demonstrieren und sich daran überhaupt nicht stören.

Ich denke, dass wir trotz der aktuellen Einschränkungen deshalb alle die Möglichkeit haben, der Opfern der wahnsinnigen und willkürlichen Schreckensideologie der Nationalsozialisten zu gedenken. Ich möchte Sie ermutigen, am Holocaust-Mahnmal in Halle eine Kerze niederzulegen, um Ihr stilles Gedenken an die unzähligen Opfer der damaligen Zeit zu symbolisieren. Und um vor allem zu zeigen, dass Sie für Demokratie, Freiheit und vor allem Menschlichkeit einstehen.

Jonas Schlingmann

 

Die jüdischen Opfer aus der Stadt Halle (Westf.) und Umgebung

  • Moritz und Thekla Isenberg, aus Halle. Beide werden am 31. März 1942 von Bielefeld aus ins Ghetto Warschau deportiert. Sie sind entweder bereits im Ghetto gestorben oder im Vernichtungslager Treblinka ermordet worden.
  • Klara Isenberg wird zusammen mit ihren Eltern am 31. März 1942 ins Ghetto Warschau deportiert. Auch sie starb vermutlich bereits im Ghetto oder wurde im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Sie wurde 31 Jahre alt.
  • Hans Isenberg, geboren 1914, kann 1936 nach Südafrika auswandern und rettet so sein Leben.
  • Alma Hurwitz, geb. 1876 in Halle, und ihr Ehemann Nathan Hurwitz, geb. 1874 in Levern / Kreis Lübbecke. Beide werden am 31. Juli 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort aus am 15. Mai 1944 nach Auschwitz. Dort wurden sie ermordet.
  • Ihre Tochter Selma Hurwitz, geb. 1896 in Brockhagen und ihr Sohn Siegmund Hurwitz, geb. 1906 in Brockhagen. Siegmund Hurwitz wird am 31. März 1942 ins Vernichtungslager Majdanek deportiert und dort ermordet. Er wurde 36 Jahre alt. Selma Hurwitz stirbt 1940 mit 46 Jahren in Bielefeld.
  • Moritz Wißbrunn und seine Frau Mathilde Wißbrunn aus Steinhagen Beide werden am 31.Juli 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sich ihre Spur verliert.
  • Meta Goldstein, geb. 1883 in Halle, Herta Goldstein, geb. 1888 in Halle. Die Schwestern werden am 13.Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet.
  • Klara Schürmann, geborene Goldstein, geb. 1882 in Halle. Sie lebt von 1933 bis 1941 in Bielefeld. Am 13.Dezember 1941 wird sie nach Riga deportiert und dort ermordet.

Familie Weinberg

  • Max Weinberg, in Borgholzhausen geboren, verzieht 1937 nach Hannover. Er starb dort am 6. Februar 1938.
  • Ehefrau Selma Weinberg, geb. Horwitz, 1937 nach Hannover verzogen, von Hannover am 15.Dezember 1941 nach Riga deportiert, dort umgekommen.
  • Tochter Gisela Weinberg, von Hannover nach Riga deportiert, am 24.März 1945 dort umgekommen.
  • Sohn Heinz Robert Weinberg, 1937 nach Rietberg verzogen, und 1938 nach Hannover. Von dort gelingt ihm die Auswanderung nach England. Er überlebt.

Familie Jakob Hesse

  • Jakob Hesse, in Borgholzhausen geboren, 1931 in Borgholzhausen verstorben und begraben.
  • Ehefrau Elise Hesse, geb. Kempenich, nach dem Tod ihres Ehemannes 1931 nach Essen verzogen. Sie wurde am 21.Juli 1942 von Düsseldorf aus ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort am 15.Mai 1944 nach Auschwitz und dort ermordet.
  • Tochter Friederike Hesse, geb. 1906 in Borgholzhausen, 1929 nach Herne verzogen. 1932 Heirat mit Julius Stern. Sie wurde von Köln aus ins Ghetto Theresienstadt deportiert und ist am 7. März 1943 dort umgekommen.
  • Julius Stern, geb. 1897 in Olsberg, wohnt nach der Heirat mit Friederike in Köln Er wird am 27. Juli 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort am 1. Oktober 1944 nach Auschwitz (mit seiner Tochter) und wird dort ermordet.
  • Inge Stern, 1933 geboren, von Düsseldorf aus ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort am 1.Oktober 1944 nach Auschwitz (mit ihrem Vater), dort wurde sie ermordet. Sie wurde nur 11 Jahre alt.
  • Tochter Gertrud Hesse, zog 1926 nach Bielefeld, von dort nach Essen. Sie konnte 1936 nach London auswandern und verstarb später kinderlos in New York.

Familie Julius Hesse

  • Julius Hesse, geb. 1875 in Borgholzhausen Er wird am 12.Mai 1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, am 6. März 1944 nach Auschwitz, dort ist er umgekommen.
  • Ehefrau Jenny Hesse, geb. 1882 in Hagen. Sie wird am 12. Mai 1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort nach Auschwitz, dort ist sie umgekommen.
  • Tochter Ruth Blüthe, geb. Hesse, emigriert mit Ehemann und Tochter im August 1938 nach Chicagi (USA) und überlebt.
  • Tochter Lore Hesse emigriert mit ihrem Ehemann Isaacson nach Antwerpen (Belgien), wo beide während der Kriegsjahre im Untergrund leben.
  • Tochter Anneliese Hesse emigriert am 20.Oktober 1930 nach Israel, von dort aus zieht sie 1947 in die USA.

 

[1] siehe dazu: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/umfrage-wissen-zum-holocaust-ist-lueckenhaft/

[2] Das Zitat wird oftmals auf Alexander von Humboldt zurückgeführt. Belegen lässt sich dies nicht.